Gemeinderat bewertet unsichere Erfolgsaussichten und lange Verfahrensdauer
Die Stadt Neckarsulm veräußert ihre Forderungen aus der Insolvenz der Greensill-Bank zum Angebotspreis von 1,35 Millionen Euro an einen sogenannten „Spezialisierten Konsolidierer“, also an ein Unternehmen, das am käuflichen Erwerb derartiger Insolvenzforderungen interessiert ist. Damit zieht die Stadt einen Schlussstrich unter die Entschädigungsforderungen gegen die Bank aus Bremen, die Anfang 2021 in Insolvenz gegangen ist. Angesichts der unsicheren Erfolgsaussichten und der langen Verfahrensdauer stimmte der Gemeinderat nach intensiven Vorberatungen einstimmig für den Verkauf der Forderungen.
Die Stadt Neckarsulm hatte, wie Kommunen in ganz Deutschland, Geld bei der Greensill Bank angelegt. Die Anlage in Höhe von fünf Millionen Euro wurde im November 2020 entsprechend den geltenden Geldanlage-Richtlinien der Stadt getätigt. Nach Bekanntwerden der Insolvenz meldete die Stadt ihre Forderungen zur Insolvenztabelle an. Zudem schloss sich Neckarsulm der Interessensgemeinschaft der durch diesen Insolvenzfall geschädigten baden-württembergischen Kommunen an, ließ verschiedene Rechtsgutachten erstellen und sämtliche mögliche Schadensersatzforderungen rechtlich prüfen. Inzwischen haben mehrere deutsche Kommunen ihre Forderungen gegenüber der insolventen Bank an interessierte Unternehmen abgetreten.
Zuschlagspreis ist laut Ausschreibung wirtschaftlichstes Angebot
Die Stadt hatte eine Ausschreibung unter zwölf Spezialisierten Konsolidierern durchgeführt. Dabei ergab sich als wirtschaftlichstes Angebot der Zuschlagspreis von 1,35 Millionen Euro. Darüber hinaus wurden bei der Bewertung des Sachverhalts auch die aktuellen Inflationsraten und die in den kommenden sechs bis zehn Jahren zu erzielenden Zinserträge berücksichtigt.
Das Insolvenzverfahren läuft nun bereits seit zweieinhalb Jahren. Aktuell stehen schwierige und sehr komplexe Gerichtsverfahren in England und Australien an. Der Insolvenzverwalter Dr. Michael Frege rechnet mit einer Laufzeit zwischen sechs und zehn Jahren. Die Erfolgsaussichten der Verfahren sind derzeit nicht einschätzbar.
Kommunen gehen am Ende des Verfahrens womöglich leer aus
Hinzu kommt, dass andere Gläubiger bevorrechtigt sind und die Kommunen am Ende womöglich leer ausgehen. Bisher konnten aus der gesicherten Insolvenzmasse sogenannte bevorrechtigte Forderungen der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) von rund 0,8 Milliarden Euro befriedigt werden. Insgesamt wurden bevorrechtigte Forderungen in Höhe von 1,2 bis 1,3 Milliarden Euro und Gesamtforderungen von rund vier Milliarden Euro öffentlich kommuniziert. Die noch offenen bevorrechtigten Forderungen sind, neben den Kosten des Insolvenzverfahrens (internationale Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer), aus der noch zu erzielenden Insolvenzmasse zuerst zu befriedigen.
Etwaige Zahlungen an die nichtbevorrechtigten Gläubiger, zum Beispiel die Kommunen, werden erst möglich sein, wenn die ausländischen Gerichtsverfahren erfolgreich abgeschlossen sind. Ob und in welcher Höhe es zu derartigen Zahlungen kommt, um die restlichen Forderungen zu bedienen, ist ungewiss. Aus dieser Ausgangssituation ergab sich für den Gemeinderat das Risiko, am Ende des Verfahrens nicht mehr zum Zuge zu kommen.
Mit dem Verkauf der Insolvenzforderungen werden etwaige weitere Schadensersatzforderungen gegen Dritte, zum Beispiel gegen den Haftpflichtversicherer des insolventen Anlagevermittlers, nicht mit veräußert. Die Frage, ob derartige Forderungen durch die Stadt weiterverfolgt werden können, wird derzeit geprüft.