OB Steffen Hertwig: „Ein ganz großer Schritt für den Gewässerschutz in der Region“

Die Verantwortlichen des AZV besichtigen die Hauptbetriebseinheit der Kläranlage.
Wie hier in der Hauptbetriebseinheit wird auch die vierte Reinigungsstufe auf der Kläranlage Neckarsulm des AZV Unteres Sulmtal mit innovativer SBR-Technik neu gebaut: (v. li.) Roland Mehrer von der Stadtkämmerei Neckarsulm, OB Steffen Hertwig, AZV-Geschäftsführer Thorsten Morhaus, Timo Frey, Bürgermeister von Bad Friedrichshall, und Uwe Mosthaf, Bürgermeister von Erlenbach.                    

Mit einem innovativen, richtungsweisenden Verfahren überwindet der Abwasserzweckverband (AZV) Unteres Sulmtal die bisherigen Grenzen bei der Abwasserreinigung und entfernt künftig auch mikroskopisch kleinste Spurenstoffe aus dem Abwasser. Dies leistet die sogenannte vierte Reinigungsstufe. Die Verbandsversammlung des AZV beschloss einstimmig, die Spurenstoff- und Phosphor-Eliminierung („vierte Reinigungsstufe“) auf der Verbandkläranlage Neckarsulm zu bauen und genehmigte Baukosten von rund 25 Millionen Euro. Für diese Maßnahme hat der AZV beim Land Baden-Württemberg Fördermittel in Höhe von 20 Prozent der Gesamtkosten beantragt. Wird der Förderantrag, wie erwartet, Anfang des kommenden Jahres fristgerecht genehmigt, kann der AZV 2026 mit dem Bau der vierten Reinigungsstufe beginnen. Der Bau der Anlage dauert etwa zwei bis drei Jahre.  

„Das ist ein ganz großer Schritt für den Gewässerschutz in der Region“, betonte der Vorsitzende des AZV, Oberbürgermeister Steffen Hertwig, beim Pressetermin auf dem Gelände der Kläranlage Neckarsulm. Die Verbandskläranlage wurde in den Jahren 2007 bis 2012 leistungsmäßig auf 200.000 Einwohnerwerte erweitert. Dort werden nicht nur häusliche Abwässer gereinigt, sondern auch ein hoher Anteil an Industriegewässern. „Umso wichtiger ist es, dass wir uns dem Thema Spurenstoffbeseitigung professionell stellen“, unterstrich Steffen Hertwig. „Wir handeln hier aus purer Überzeugung, weil wir die Bedeutung des Themas erkannt haben.“

Noch ist die Eliminierung von Spurenstoffen eine Freiwilligkeitsleistung. Die Experten rechnen jedoch damit, dass die vierte Reinigungsstufe per EU-Richtlinie bald gesetzlich verpflichtend vorgeschrieben wird. Darum geht es: Arzneimittel und Chemikalien gelangen täglich mit dem Abwasser in die Kläranlage. Weil sie dort mit der bisherigen Technik nicht ausreichend entfernt werden können, finden sich Spurenstoffe in Flüssen, Bächen und Seen wieder. Manche dieser chemischen Verbindungen können sich schon in sehr geringen Konzentrationen nachteilig auf Kleinlebewesen und Tiere auswirken.

Um hier Abhilfe zu schaffen, startete der AZV Unteres Sulmtal im Jahr 2021 die Versuchsanlage „PAKAuf“ (Pulveraktivkohle im Aufstaubetrieb). Als Projektpartner beteiligt waren das Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg, die Universität Kassel, das Büro Weber Ingenieure aus Pforzheim und der AZV als Betreiber der Kläranlage Neckarsulm. Die Versuchsanlage wurde erfolgreich getestet, so dass die AZV-Verbandsversammlung 2022 den Grundsatzbeschluss und schließlich den Baubeschluss fasste.

Neubau mit innovativer SBR-Verfahrenstechnik 

Die vierte Reinigungsstufe wird jetzt auf der Erweiterungsfläche der Kläranlage Neckarsulm hinter dem Hochwasserpumpwerk Weidach errichtet. Weil die Fläche begrenzt ist, setzt der Verband erneut auf die innovative Verfahrenstechnik der Sequentiellen Biologischen Reinigung (SBR) mit Bioreaktoren, die beim platzsparenden und zugleich umweltverträglichen Ausbau der Kläranlage zum Einsatz kam. Dabei werden die verschiedenen Prozessschritte nicht in jeweils separaten Bauwerken, sondern in einem einzigen Bauwerk phasenweise nacheinander durchlaufen.

Das geplante neue Bauwerk umfasst vier SBR-Reaktoren mit PAK-Pumpwerk und vier nachgeschaltete Tuchfilteranlagen mit Befüll-Pumpwerk. Das bestehende Auslaufbauwerk wird ertüchtigt. Und so funktioniert das Reinigungsverfahren: Die Pulveraktivkohle wird in gemahlener Form nach der dritten Reinigungsstufe in das bereits weitgehend gereinigte Abwasser gegeben. Die Pulveraktivkohle vermischt sich mit dem Abwasser und entfaltet dabei ihre adsorbierende Wirkung. An der großen porösen Oberfläche haften die Spurenstoffe fest an (Adsorption). Die Aktivkohle sinkt dann auf den Boden des Sedimentationsbeckens und das Abwasser wird in der Tuchfilteranlage nachgereinigt. Die Aktivkohle wird schließlich zusammen mit dem Klärschlamm getrocknet und verbrannt.

Dieses Verfahren ist in Deutschland noch nicht weit verbreitet, in Baden-Württemberg aber bereits üblich. Vorbild ist die Kläranlage Steinhäule in Ulm/Neu-Ulm. Dort nimmt die Spurenstoff-Eliminierung allerdings viel Fläche in Anspruch. Der Bau der vierten Reinigungsstufe mit platzsparender SBR-Technik nach dem Neckarsulmer Modell ist in Deutschland bislang einmalig.

Reinigungsverfahren entfernt Spurenstoffe und verringert Phosphatanteil im Abwasser

Mit dem neuen Reinigungsverfahren werden im Endausbau etwa 90 Prozent der in Neckarsulm anfallenden Jahresabwassermenge behandelt. Herausgefiltert werden Spurenstoffe wie Medikamente, Hormone, Röntgenkontrastmittel, Duftstoffe aus Körperpflege- und Reinigungsmitteln, Pflanzenschutzmittel, Industriechemikalien und Flammschutzmittel. Außerdem kann der Phosphatgehalt im Abwasser um etwa 33 Prozent reduziert werden.

An den Baukosten werden auch die Gebührenzahlerinnen und -zahler beteiligt. Der AZV rechnet damit, dass die Abwassergebühren für eine vierköpfige Familie sukzessive um 75 Euro im Jahr steigen werden. „Das muss es uns wert sein“, urteilte der Verbandsvorsitzende Oberbürgermeister Steffen Hertwig. „Gewässerschutz in diesem massiven Umfang bekommt man nicht umsonst.“  

AZV bildet junge Menschen zum Umwelttechnologen aus

Mit dem Bau der vierten Reinigungsstufe setzt die Verbandskläranlage Neckarsulm des AZV Unteres Sulmtal ein innovatives, richtungsweisendes Verfahren zur weitergehenden Reinigung von Abwässern um. Dabei wird die SBR-Verfahrenstechnik angewendet, die bereits bei der Erweiterung der Kläranlage in den Jahren 2007 bis 2012 zum Einsatz kam. Damit bietet der AZV beste Rahmenbedingungen für eine professionelle Ausbildung junger Menschen. Die Ausbildung zum Umwelttechnologen, Fachrichtung Abwasserbewirtschaftung dauert drei Jahre. Es stehen ein bis zwei Ausbildungsplätze zur Verfügung. Bewerbungen nimmt der AZV gerne entgegen: Abwasserzweckverband Unteres Sulmtal, Postfach 1361, 74172 Neckarsulm. Rückfragen richten Interessierte bitte an Geschäftsführer Thorsten Morhaus, Tel. 07132/95104-0, E-Mail: t.morhaus@azv-unteres-sulmtal.de. Weitere Infos unter www.azv-unteres-sulmtal.de. (snp)       

(Erstellt am 04. September 2024)