Rede mit großer Wirkung
Am Ende eines von JoJo Eble (katholische Kirchengemeinde St. Dionysius) und Kirchengemeinderat Daniel Wacker (evangelische Kirchengemeinde Obereisesheim) denkwürdig gestalteten, ökumenischen Gottesdienstes und einer Ansprache von Ortsvorsteher Andreas Gastgeb zum Volkstrauertag spendeten die anwesenden Gottesdienstbesucher Applaus - zum allerersten Mal bei einem Gedenken dieser Art. Grund dafür war eine von den beiden ehrenamtlichen Kirchenaktiven attraktiv gestaltete Liturgie und ein paar Gedanken von OV Gastgeb, die beide den Nerv der Zuhörer auf den Punkt trafen. Als Andreas Gastgeb den üblichen Standard einer Volkstrauertagsansprache verließ und auf das aktuelle Weltgeschehen einging, hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Ein Redeauszug: "(...) Meine Damen und Herren, die Amerikaner haben am 04. November einen Verschwörungstheoretiker, einen notorischen Lügner, einen verurteilten Betrüger zum mächtigsten Mann der Welt gewählt. Die regierungsnahen Kreise in Israel haben schon am Tag darauf triumphiert und die Weichen dafür gestellt, jetzt mit noch mehr Gewalt durchzugreifen. Der russische Präsident setzt seinen Angriffskrieg auf ein Land in Europa angestachelt durch das Ergebnis in Amerika mit größerer Wucht als je zuvor fort. Die Radikalen in Italien, Frankreich, in den Niederlanden und anderswo auf der Welt kriegen Oberwasser. In Ungarn lacht sich der Machthaber ins Fäustchen, weil er sich obenauf wähnt. Chinas territoriale Ansprüche auf Taiwan lassen nichts Gutes vermuten. In Deutschland löst sich die Regierung in Wohlgefallen auf und kein Mensch weiß, wie es mit der kriselnden Wirtschaft weitergeht.
Wir befinden uns nicht am Anfang der 1930er Jahre, meine Damen und Herren, wir befinden uns im Jahr 2024 und merken allmählich, dass alles schon einmal da war. Nur spricht es niemand aus. Und noch weniger Leute wollen es hören.
Und was tun wir? Wir lehnen uns zurück und vertreten nicht selten die Meinung, wir können doch sowieso nichts tun.
Ja, es sind große Themen! Weltweite Krisen! Internationale Zusammenhänge! Was können wir da schon tun? Bringt doch alles nichts! Unsere Meinung interessiert doch nicht. Ich sehe das grundlegend anders, meine Damen und Herren. Ich beispielsweise vergebe unsere Festhalle an keine Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird, und ich bin nötigenfalls auch bereit, die persönlichen Konsequenzen zu tragen. Sie alle können hinschauen, wenn unsere öffentlichen Einrichtungen beschädigt werden, Sie alle können eingreifen, wenn Minderheiten, Schwache und Kranke diskriminiert werden. Sie alle können sich einmischen, wenn in der Öffentlichkeit bewusst Lügen und oder Unrichtigkeiten verbreitet werden, und Sie es besser wissen.
Lassen Sie uns alle religiösen Werte generell, lassen Sie uns unsere christlichen Werte im Besonderen leben. Würde die Welt nur die 10 Gebote kennen und achten, sie wäre eine bessere!
Meine Damen und Herren, auch, ja vielleicht nur wenn viele kleine Leute viele kleine Dinge tun, kann Großes gelingen. Denn eines darf auf gar keinen Fall passieren - nämlich dass sich unsere deutsche Geschichte wiederholt. Und auch wenn wir aktuell auf dem besten Wege dorthin unterwegs sind, lassen Sie sich keinen Sand in die Augen streuen! Bleiben Sie kritisch! Mischen Sie sich ein! Sagen Sie deutlich Ihre Meinung! Unser Zusammenleben, unsere noch immer funktionierende, örtliche Gemeinschaft, unser liebens- und lebenswerter Stadtteil, unsere Stadt, unsere Region, ja, unsere ganze Nation sind diesen kleinen, individuellen Einsatz Wert. Packen wir es an! Nachdrücklich! Uneingeschüchtert! Stark! Vor allen Dingen gemeinsam! Es geht um mehr als alles, meine Damen und Herren, es geht um uns! Denn eines steht fest, nie wieder ist jetzt! (..)“
Im Anschluss an Gottesdienst und Ansprache legten Markus Müller für den VdK und Andreas Gastgeb für die Ortsverwaltung einen Kranz am Ehrenmal für die Opfer der beiden Weltkriege und die der gewaltsamen Auseinandersetzungen dieser Tage nieder. Die Kranzniederlegung wurde vom Musikverein Obereisesheim würdig umrahmt.
Sylke Bauer